The Day After

Irgendwas war heute früh anders. Während mich sonst 16 tappende Pfoten und futtererwartende Blicke („Mach schon, warum dauert das so lange“) in Richtung Kaffeemaschine verfolgen, war da heute nichts außer gespenstischer Stille, unterbrochen vom Schnarchgeräuschen aus dem Hunde-Omi-Körbchen.

Nach dem aufgeregten morgendlichen Hundegewusel der letzten Tage handelt es sich, wie wir vorher eventuell schon gewusst haben und nun definitiv wissen, wohl wieder einmal um einen Fall von Stimmungsübertragung. Die Anspannung ist weg, der menschliche und hündische Cortisolspiegel kann langsam wieder auf ein angenehmes Base-line-Niveau sinken.

Tatsächlich waren wir alle ein wenig aufgeregt vor unserem „Emotionen“-Seminar, haben Stunden damit verbracht, unseren neuen Vortrag auszuarbeiten, Trails vorab auszutesten und alle Vorbereitungen zu treffen, sehr wohl im Bewusstsein, dass wir uns mit diesem Thema auf das Glatteis des Zu-wenig-Wissens begeben – obwohl wir uns dort in guter Gesellschaft befinden: Kaum ein Gebiet der Kognitionsforschung wird so stiefmütterlich behandelt wie der Geruchsinn unserer nasenorientierten Familienmitglieder – und damit auch das, was er an Emotionen auslöst. Auf unserer Teilnehmerliste standen neben altbekannten und sehr geschätzten „Stammgästen“ auch Namen von Hundetrainern, die weit mehr Fachwissen mitbringen würden als die meisten von uns. Und wir erwarteten zwei hochkarätige Referenten: Prof. Dr. Kurt Kotrschal von der veterinär medizinischen Universität Wien und Direktor der Konrad Lorenz Forschungsstelle sowie Mag. Brigid Weinzinger, Tiertrainerin und Verhaltenberaterin von denktier .

Vor der nicht zu überhörenden Geräuschkulisse des zeremoniellen feucht-fröhlichen Weinviertler Maibaum-Aufstellens gab uns Kurt Kotrschal einen faszinierenden Einblick die gemeinsame Wahrnehmungswelt von Mensch und Hund. Bereits hier zeichnete sich deutlich ab, was die nächsten Tage bestimmen sollte: Wissbegierde, kritisches Denken, viele offene Diskussionen, Humor und gute, kollegiale Stimmung.

Am nächsten Tag begannen wir mit dem praktischen Teil. Der Wettergott hatte seine Mobilbox dann scheinbar doch noch abgehört und die Regengüsse auf andere Landesteile umgeleitet. Schon bei den ersten Trails stellte sich heraus, dass unsere „Wiederholungstäter“ nicht nur viel geübt, sondern viel von den letzten Seminaren mitgenommen und umgesetzt hatten. Besonders schön: Einmal mehr wurde bewiesen, dass der ausnahmslos freundliche und rücksichtsvolle Umgang unserer Teilnehmer mit ihren Hunden Motivation und „Leistung“ (ich mag das Wort nicht) sehr positiv beeinflusst.

Unser researchdogs-Vortrag, in dem wir auch die Relevanz der Emotionen für die Hund-Mensch-Kooperation am Trail bzw. für den Trainingsaufbau besonders betonen wollten, fand demnach auch großes Echo. Wir freuten uns sehr über die kontroverse, sehr produktive Diskussion im Anschluss.

Am Samstag übersiedelten wir in den Weinkeller von Herrn Habitzl am Auberg. Die Location hat sich als so geeignet erwiesen, dass wir in Zukunft sicher öfter dort Quartier beziehen werden. Unsere Teilnehmer hatten für die verbleibenden Tage sehr konkrete Vorstellungen zum weiteren Verlauf ihrer praktischen Übungen. Wir bemühten uns also, die Trails nach ihren Wünschen zu gestalten und konzentriert an unklaren Situationen zu arbeiten und nutzten die Pausen, um uns die ersten Trailvideos anzusehen und gemeinsam zu analysieren. Brigid Weinzingers Grundlagenvortrag über die Emotionen der Hunde war dann das Highlight des Tages und ließ die meisten von uns ziemlich nachdenklich werden. Obwohl wir seit Jahren mit Hunden leben, stellte es sich als sehr schwierig heraus, allein aus der Mimik und Körperhaltung uns unbekannter Tiere Rückschlüsse auf ihren emotionalen Zustand zu ziehen! Das bedeutet: Wir werden an dem Thema dranbleiben und uns noch intensiver mit der Körpersprache der Hunde beschäftigen.

Das Resümee am letzten Tag: Wir alle haben viel gelernt und noch viel mehr zu lernen – sei es im täglichen Umgang mit unseren Hunden oder am Trail – und wir freuen uns darauf!

Wir danken den Wirtinnen, die uns wieder einmal gewaltig bekocht haben, unseren Versteckpersonen, die u. a. mit kleinen Hoppalas wie in der Toilette verschwundenen Geruchsträgern für Erheiterung gesorgt haben, unseren Vortragenden, Herrn Habitzl für die Nutzung seines Weinkellers und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr großes Interesse und Engagement und hoffen, euch beim nächsten Mal in alter Frische wiederzusehen.

(ES)