Ungarn ist anders

Auf Einladung von Bea Belényi (die einige von euch vielleicht noch von einem unserer letzten Seminare kennen, bei dem sie uns einen beeindruckenden Vortrag zum Thema Lerntheorie gehalten hat) hat Marleen ein Wochenende in Budapest verbracht, um einer Gruppe von Interessierten die Grundzüge des Mantrailings näher zu bringen. Andere Länder, andere Sitten …

Nach einer sehr kurzen Nacht, da am WSC Hundewelpen geboren wurden, habe ich mich Samstag morgens um 5 Uhr auf den Weg nach Budapest gemacht. Ich war auf 6 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorbereitet – was ich nicht ahnen konnte: dass es sich bei sämtlichen um Mehrhundebesitzer handeln würde! Erschwerend kam noch hinzu, dass der Großteil der Hunde eine Ausbildung zu Flächen- und Trümmersuche hatte. Einer davon hatte sogar an der Rettungshunde-WM teilgenommen. Ein anderer Hund, der viel Nachdenken erfordern würde, war ein äußerst nervöser ehemaliger Polizeihund. Trotz der Sprachbarrieren – der deutsche Theorievortrag wurde von mir auf Englisch gehalten und weiter ins Ungarische übersetzt, klappte die Verständigung dank Beas unermüdlichem Einsatz als Dolmetscherin prima. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren äußerst interessiert und stellten viele themenspezifische Fragen, vor allem im Zusammenhang Trail vs. Flächensuche. Die Ansicht, dass Flächensuchhunde die besten Voraussetzungen zum Trailen mitbringen würden und daher diese für sie neue Art der Personensuche schnell und ganz leicht erlernen könnten, war vorherrschend. Was mir völlig neu war: Flächen- und Trümmersuchhunde werden in manchen ungarischen Staffeln für den Realeinsatz und für Rettungshundesportbewerbe jeweils völlig anders ausgebildet. Während sie im Sport nach der Internationalen Prüfungsordnung wie üblich mit speziellem Kommando samt Handzeichen die vorgeschriebenen Schläge absuchen, ähnelt die Suchtechnik im Realeinsatz eher einem Spaziergang, auf dem die Hunde jeden Mensch im Gelände anzeigen. Originalzitat Bea: „Die Hunde werden nicht angestellt [angesetzt, Anm. M.H.], sondern gehen spazieren.“ Durch den zwanglosen und ruhigen Arbeitsstil im Einsatz bleibt die Motivation der Hunde erhalten, selbst wenn sie nicht finden. Es würde bei unserem Seminar in der Praxis also darum gehen müssen, dass selbst für ausgebildete Flächensuchhunde das Trailen völliges Neuland bedeutet und von ihnen erst erlernt werden muss, auch wenn sie im Realeinsatz auf der Fläche gut arbeiten. Die absoluten Anfängerhunde waren sehr schnell zu motivieren, dem Trail zu folgen. Die Flächensuchhunde starteten durchwegs gut und suchten auch spurtreu auf dem Trail – so lange, bis sie auf Flächen kamen, die breiter waren als normale Straßen. Hier fielen sie in ihre altbewährte Technik zurück und begannen zu stöbern. Schnell wurde allen klar, dass die Hunde nicht „so einfach“ zwischen Trail und Flächensuche switchen können und dass für ein Trail-Team die gezielte Ausbildung von Hunden und Menschen notwendig ist. Was mir sehr interessant erscheint: Alle teilnehmenden Hunde waren auffallend an ihren Besitzern orientiert. Ich denke, ein Grund dafür ist, dass angeleinte Hunde in Ungarn eher die Ausnahme darstellen. Viel mehr ist es so, dass ein Hund, der an der Leine geht, als gefährlicher Hund angesehen wird und jeder seinen eigenen Hund von dem angeleinten Hund zurückruft. Für die Hunde ist es selbstverständlich, in großen Gruppen gemeinsam frei zu laufen (4 Personen, 12 Hunde…), ohne Konflikte zwischen den Hunden. Auch bei unserem Seminar ließen die Besitzer die Hunde in den Pausen frei laufen, und das, obwohl es sich hauptsächlich um „Gebrauchshunde“ handelte, die bei uns gern als „schwierig“ angesehen werden, wie Malinois oder Beauceron. Man merkt auch deutlich, dass die Hunde gewohnt sind, eine Aufgabe zu haben, gefordert zu werden und Regeln einzuhalten. Es kann gut sein, dass der eine oder andere Hund im Trailen eine neue Aufgabe finden wird. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass die nervöse ehemalige Polizeihündin bei der konzentrierten Arbeit zur Ruhe kommen konnte. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf das nächste Mal und bin gespannt darauf, wie sich das Trailen in Ungarn weiter entwickeln wird. Es kam z.B. bereits die Überlegung auf, eigene Mantrailer für die Rettungshundestaffel, bei der einige TeilnehmerInnen tätig sind, auszubilden. Zu sagen bleibt nur noch: Ungarn ist anders – aber schön! (MH)