Trailen für den Ernstfall oder das Geschäft mit der Hoffnung

Für viele, die mit ihrem Hund die Ausbildung zum Mantrailer ins Auge fassen, ist das Erreichen der „Einsatztauglichkeit“ das höchste Ziel. Doch welche Relevanz haben Trailer – statistisch gesehen – wirklich im „Ernstfall“?

Allein in Deutschland wurden im Jahre 2009 12 Millionen Rettungseinsätze von Notärzten und Rettungsdiensten gefahren von welchen sich 46% als ernste Einsätze herausstellten, also solche, in denen es wirklich um Leben und Tod ging[1]. Hochgerechnet auf den deutschsprachigen Bereich, also inkl. Schweiz und Österreich, dürften wir hier also auf 14,4 Millionen pro Jahr, somit also knapp 39.500 Einsätze pro Tag kommen, von welchen also ca. 18.700 Einsätze (die 46% ernsten Einsätze also) den Ruf des Notarztes und der Rettung gerechtfertigen. In Deutschland gelten pro Jahr ca. 5.000 bis 6.000 Menschen als vermisst, hochgerechnet auf den deutschsprachigen Raum also 6.000 bis 9.600, Vermisstenmeldungen gehen jährlich ca. 50.000 ein[2], hochgerechnet also etwa 60.000 inkl. Schweiz und Österreich. 80% der Vermisstenanzeigen sind keine Ernstfälle. Diese reduzieren sich wiederum auf „nur“ ca. 12.000 Personen pro Jahr, und davon bleibt die Hälfte verschwunden. Es steht die Zahl von 60.000 Vermissten der Zahl von 14,4 Millionen Rettungseinsätzen gegenüber, insgesamt im Jahr also 0,4% im Gesamten. Oder, vom Gesichtspunkt der tatsächlichen Ernsteinsätze aus, von 9.600 Vermissten gegenüber den 6.624.000 ernsten Rettungseinsätzen in Summe, was ca. 0,15 % ausmacht.

RettungseinsätzeVermisstenmeldungenAnteilig
Deutschland p.a.12.000.00050.0000,4%
D/A/CH p.a14.400.00060.0000,4%
Ernste Einätze D/A/CH6.624.0009.6000,15%

So viel soziales Engagement für eine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Menschenleben zu retten, ist zweifellos sehr löblich, aber eigentlich nicht sehr realistisch gedacht. Bedenkt man noch dazu, dass das Trailen in der Schweiz einigen wenigen staatlich anerkannten Organisationen und in Deutschland der Exekutive untersteht und man als Privat-Trailer gar keine Chance hat, in den Einsatz zu kommen, und dass in Österreich das Trailen noch so in den Kinderschuhen steckt, dass die Nachfrage gegen Null geht – dann stellt sich Frage, warum sich private Organisationen oder sozial engagierte freiwillige Helfer die Köpfe um Prüfungsordnungen einschlagen und heiße Konkurrenzkämpfe ausfechten. Und nehmen wir noch die Un-Wahrscheinlichkeit hinzu, mit der ein Mantrailer-Team in der verschwindend kleinen Anzahl der Einsätze eine vermisste Person tatsächlich findet, dann stellt sich die Frage, warum nicht mehr an der Funktionalität des Trailens selbst gearbeitet wird anstatt am Austüfteln von unterschiedlichsten Einsatzprüfungen, die bereits im Nachbardorf nichts mehr wert sind, weil sie dort niemand anerkennt.(R.B.)

Dieser Artikel von mir ist auch bereits auf der Website von Mantrailing Europe erschienen, wenngleich er dort auch in abgewandelter Form zu lesen ist. Den Facebook-Kommentaren bezüglich dieses Artikels konnte ich allerdings entnehmen, dass er vielfach falsch verstanden wurde. Um allfälligen Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe großen Respekt vor all denjenigen, welche sich der Rettungsarbeit widmen und dieser ihre Freizeit opfern und ihr Engagement entgegenbringen. Was ich hier anprangere, ist das Vorgehen unterschiedlichster Institutionen, mit aller Gewalt auf Kundenfang zu gehen, indem den zukünftigen Kunden weisgemacht wird, sie könnten durch genau diese angebotene Ausbildung zusammen mit ihrem Hund automatisch Dienst an der Menschheit leisten. Guten Willens und guten Glaubens werden hunderte von Personen in eine Maschinerie hineingezogen, die sich hinter vorgehaltener Hand sehr wohl bewusst ist, dass diese geworbenen Kunden niemals eine Chance haben werden, in den Einsatz zu gelangen.