Wer nichts weiß, muss wirklich alles glauben ?

Die Krux mit Theorie und Praxis. Wer hat Recht, und wer hat Unrecht ?

Nach dem Launch dieser Website haben uns viele Zuschriften und Mails erreicht, wir erwecken allen Anschein nach großes Interesse in allen geografischen Regionen und bei sämtlichen Personengruppen rund ums Trailen, seien es einfach "nur" Trailer oder Trainer oder Verantwortliche von Rettungsorganisationen, oder auch Leute, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen.

Was ich so mitbekomme ist, dass die Seite kontroverse Diskussionen darüber auslöst in welchem Verhältnis Praxis und Theorie bei der Arbeit mit Hunden tatsächlich gewichtet sind.

Ein System, das ausschließlich Studienergebnisse beschwört und dabei das Individuum Hund bzw. das einzelne Mensch-Hunde-Team mit all seinen unterschiedlichen Eigenschaften und den Umständen, denen es ausgesetzt ist, zahlendominiert in den Hintergrund drängt, ist sicherlich nicht der richtige Ansatz. Ebensowenig aber ist es förderlich, sich rein auf Praxis und Erfahrung zu verlassen, die sich nur - und hier liegt die Betonung auf nur - auf individuelle Beobachtung einzelner Fälle und Vorkommnisse stützen kann und diese dabei womöglich noch subjektiv interpretiert oder gar versucht zu generalisieren.

Wir haben Meinungen und wir vertreten Thesen und Ansätze, die wir mit Quellenangaben und Referenzen zu belegen versuchen. Da wir damit jedoch nicht nur die oberflächlich Kritischen zufriedenstellen wollen, fügen wir die kompletten Veröffentlichungen der Quellen, sofern uns dies urheberrechtlich gestattet ist, mit hinzu. Bezogen auf diese wissenschaftlichen Studien, sollte man jedoch nicht nur lesen können, sondern auch in der Lage sein, dieses Gelesene auch zu beurteilen.

Die Wissenschaft hat leider erst sehr spät damit begonnen, sich des Themas Hund anzunehmen. Man weiß wahrscheinlich mehr über das Paarungsverhalten nepalesischer Riesenzehenameisen im Frühling als über den ältesten Begleiter des Menschen. Aber sie ist momentan dabei, dieses Defizit mit Riesenschritten aufzuholen, und das ist gut so. Dennoch kommt sie scheinbar nur langsam voran. Dies ist zu einem guten Teil darin begründet, dass hier die so genannte wissenschaftliche Sorgfaltspflicht zum Tragen kommt, dass wissenschaftliche Arbeit also nur entsprechend den anerkannten Regeln und unter Anwendung bisher vorhandener nachgewiesener Erkenntnisse und technischer wie persönlicher Fähigkeiten und Kenntnisse ihre Gültigkeit haben kann.

In der Praxis all der angebotenen Ausbildungen jedoch gilt derzeit all zu oft: Unter den Blinden ist der Einäugige König, unter den Einäugigen aber ist der Blinde der Dumme, dem man alles erzählen kann. Und genau hierin liegt die oben erwähnte Krux der Geschichte. Während von der Theorie erwartet wird, dass sie ihre Lehren und Ableitungen mit Quellenangaben belegt und zitiert, scheint in der Praxis der Ausbildung das schlichte Gegenteil zu gelten.

Wer sich nicht nur mit Oberflächlichkeiten zufrieden gibt und etwas kritischer und genauer hinterfragt, dem wird nicht selten mangelnde praktische Erfahrung vorgehalten, die gegen die eigene langjährige Erfahrung, welche nicht in Frage zu stellen ist, niemals antreten kann.

Womit wir wahrscheinlich einen wesentlichen Grund dafür gefunden hätten, warum gerade in der Hundewelt, insbesondere bei den Trailern, so viel Agressivität und gegenseitiges Hick-Hack das Gesprächsklima bestimmt. Angriff scheint die beste Verteidigung gegen unangenehme Fragen zu sein, um das eigene Halbwissen zu kaschieren, zu überspielen und sowohl das Gegenüber wie auch das eigene Gefolge verbal einzuschüchtern und gefügig zu machen. Hier braucht es nicht mehr viel, um das allgemeine Gebaren mit Religionen und Sekten zu vergleichen: "Niemand hat an den Worten des 'Meisters' zu zweifeln, seid ihr doch alle blind und könnt nicht sehen."

Solange jedoch keiner der "Blinden" auf die Idee kommt, zu hinterfragen, ob der Meister mit einem oder zwei Augen durch die Welt läuft (oder aber vielleicht ebenso blind ist), wird sich an der gesamten Situation nicht viel ändern.

Ich würde das leidige Thema damit zusammenfassen, dass keiner der Ansätze für sich alleine zielführend ist, sondern nur eine ausgewogene Kombination von beiden. Allerdings sollte jeder darauf achten, dass die Information, welche man mitnimmt in sich schlüssig ist und auch belegt werden kann. Geht es um theoretisches Material, ist dies relativ einfach durch die Angabe von Quellen zu bewerkstelligen, auf die Ableitungen gegründet werden können. Im Falle der praktischen Ausbildung wäre es nicht uninteressant zu sehen, ob der jeweilige Trainer oder Ausbilder auch selbst in der Lage ist, das Gelehrte vorzuführen oder viele Gründe unterschiedlichster Natur findet, sich aus dem Vorführen seiner praktischen Erfahrung herauszuhalten. Auch sollte man sich den Umgang des Ausbilders mit anderen Teams ansehen und damit über den eigenen Tellerrand, d.h. den eigenen Hund und sich selbst, hinausschauen. Eventuell sind nämlich nur diejenigen mit diesem Ausbilder selig, die nicht sehen und doch glauben, was schon vorkommen kann, wenn man selbst als unangenehmer Zeitgenosse diesen Ausbilder mit anderen Lehrmeinungen zu konfrontieren wagt. Die Antworten darauf sagen eine Menge darüber aus, wie weit es mit der Praxis in der Ausbildung wirklich her ist, oder ob hier, man soll´s kaum für möglich halten, nur die Verliebtheit in die eigene Meinung verkauft wird.

(R.B.)